Mittwoch 26. November, 2003
Grundsatzdiskussionen liebe ich. Besonders wenn sie aus "dem Nichts heraus" mit fremden Menschen entstehen. Als ich der Person (Beitrag unten) erklärt hatte, weshalb ich nun kein Fleisch esse, kam die Frage, was ich von der Todesstrafe halten würde. Er las gerade Zeitung.
Nichts. Ich halte gar nichts von der Todesstrafe. "Nicht einmal" wenn es ein Mensch angeblich verdient haben soll. Keine Gesellschaft hat das wirkliche Recht, Leben zu beenden. Wenn jemand in meinem Unfeld einem anderen das Leben nehmen würde, wüsste ich nicht was ich mit ihm machte, wenn ich ihn zwischen die Hände bekäme. Wahrscheinlich ist aber, dass er es überleben würde − egal in welchem Zustand.
Oben genannte Person meinte, nicht er würde das Leben eines Täters beenden, sondern das Recht und seine Organe, welche durch die jeweilige Gesellschaft gefestigt seien. Jeder der in dieser Gesellschaft lebe, wisse um diese Gesetze und könnte sich entsprechend verhalten. Es müsse also nicht sein, dass ein Mensch zu Tode gerichtet wird, wenn er es nicht selbst bei seiner Tat zumindest in Kauf genommen hätte.
Mir scheint diese Art zu denken als sanftes Ruhekissen auf einem blutigen Bett. Anderen das Recht zu geben, einen Menschen zu töten, wenn dieser eine bestimmte Tat "getan" hat, ist schlimmer, als einen Menschen selbst zu töten. Jede Verfassung die sich das Recht herausnimmt Leben zu beenden, ist nicht mehr wert als das Papier auf dem es geschrieben steht. Darauf zu beharren, dass die Todesstrafe mögliche Taten verhindert, ist das Eingeständnis, dass diese Gesellschaft in ihrer Form nicht funktionieren wird. Ich will gar nicht auf die unschuldig Hingerichteten hinweisen, die immer in kauf genommen werden, damit das Recht sein Recht bekommt.
Jeder Mensch, jeder Richter, Staatsanwalt oder sonstiges Organ des Rechts zum Tot durch die Gesellschaft, entschuldigt sich mit der Tat des Täters und dem Rückhalt der Gesellschaft. Dass die Gesellschaft selbst zum Täter wird, ist hier nicht von Bedeutung. Meist wird das Urteil sogar gefeiert. Schließlich hat man einem Täter − einen Schlechten, weil man selbst ein Guter ist − die verdiente Strafe zugeteilt. Bei der Hin-richtung wird zugesehen, damit man sich davon überzeugen kann, dass der Unwürdige stirbt. Wenn dann der mit Wasser gefüllte Sack aus Leder (nichts mehr ist der Mensch in solchen Fällen) hinter einer Glasscheibe übrig bleibt, weiß die Gesellschaft um ihrer guten Tat an der Gesellschaft − und alle schlafen besser, weil ein Böser weniger unter unserem Himmel weilt.
Keine Sorge, denn der nächste Böse wird gerade unter den Rechten der Gesellschaft gezüchtet. Sehen sie ruhig um die Ecke.