Montag 16. November, 2009
Als ich die Haustür aufschloss, überfiel mich ein sonderbares Gefühl. Das mochte von dem Hemd kommen, das mich wortlos auf dem Treppenabsatz begrüßte. Ich wollte gar nicht anfangen etwas Schlimmes zu ahnen, denn ich ahnte, dass es viel schlimmer werden würde. Und ich hatte recht.
Im Flur lag noch ein Hemd, weiß. Im Wohnzimmer zwei, weiß. In der Küche lag ein weißes Hemd auf dem Küchentisch und eins im Waschbecken. Im Bad lag ein Hemd, ebenfalls weiß, in der Badewanne ein anderes, ebenfalls weiß, lag auf der Waschmaschine. Ins Schlafzimmer wollte ich nicht und bemerkte mehr zufällig wie im Gäste- und Ankleidezimmer alle meine weißen Hemden auf dem Boden lagen.
Abgesehen davon dass niemand außer mir meine Wohnung betreten kann, konnte das nur meine ungeborene Tochter gewesen sein.
Edith muss wohl irgendetwas vorgehabt haben, dass dann völlig aus dem Ruder lief, dachte ich. Natürlich war sie nicht da, dachte ich.
Sei jetzt bloß nicht sauer und … du wirst dich nämlich bald darüber freuen, das hat alles seinen Sinn! - höre ich sie aus dem Schlafzimmer rufen.
Hmmmm....! - rufe ich zurück als ich entdecke, dass auf allen Hemden rote Flecken sind. - Was sind das für rote Flecken?!!
Das ist nur Rotwein, gar nicht schlimm...
ROT WEIN?!? Was macht Rotwein auf meinen Hemden?!!?
Was ist das denn für eine blöde Frage, Herr Vater! Rotwein macht gar nichts auf deinen Hemden, Rotwein macht nichts auf gar keinen Hemden, es ist nur da! - weiß Edith plötzlich sehr munter.
Komm' sofort her und räum' das weg!, dann erzählst du mir was das Ganze soll!, aber dalli! ...
Im Wohnzimmer finde ich dann eine offene Rotweinflasche, in der Küche ein mit Rotwein halb gefülltes Glas. Der Korken steckt noch auf dem Öffner und ich bin froh, dass sie sich damit nicht verletzt hat – will es ihr aber nicht sagen. Als wir dann endlich alle Hemden im Wäschekorb verstaut haben, gebe ich ihr Zimmerarrest...
Du hast gesagt ich soll dir das erklären! - sagt sie mehr aufgebracht als dass sie mich darauf hinweisen will.
Ich will es nicht mehr wissen...
Aber dann kann ich dir gar nicht sagen warum du dich darüber freuen wirst...
Ich überlege, dass es wirklich nicht von Vorteil wäre, eine Tochter ohne eine solche erklären zu dürfen ins Zimmer zu schicken – auch keine ungeborene. Schließlich muss sie sich etwas dabei gedacht haben. Alle weiße Hemden mit Rotwein zu besudeln, ist nicht gerade ein Hobby.
Dann ... .... versuch's. Ich hör' dir zu! - sage ich nach meinen Gedanken.
Das geht aber nicht, dann ist es keine Überraschung!
... Edith!, mehr als das was im Wäschekorb «gerotweint» liegt, kann mich heute nicht überraschen! Wenn du mir jetzt nicht sofort erklärst was das Ganze sollte, dann ...
Aber ... wart' bis Donnerstag! - Donnerstag sagt sie lauter als den Rest.
So funktioniert das nicht!, du erklärst es mir jetzt oder nie...
Sie habe gestern im TV eine Werbung gesehen. Da hätte ein Mann, den sie nicht weiter kenne, einer blonden Frau Rotwein in ein Glas eingeschenkt. Dann sei ein Tropen auf ihr Hemd gekleckert. Die Frau habe gelächelt und den Fleck einfach abgezogen und auf dem Boden geschmissen. Die Erklärstimme hätte dann gesagt, dass das mit einem neuen Waschmittel bei ganz niedrigen Temperaturen ganz easy ginge. Und da ich am Donnerstag Geburtstag hätte, dachte Edith, wäre es ganz schön wenn sie mir eine Flasche von dem «Rotweinvernichtungswaschmittel» schenken würde – weil mein Hemd, dass ich am Samstag anhatte, am Sonntagmittag mit einem Rotweinfleck in der Wäsche lag und ich laut gesagt hätte, was ich wirklich auch habe, uhhhh, wenn das mal raus geht, das Hemd sei ja so schön.
Die anderen Hemden hätte sie dann mit Rotwein bekleckert, damit man eine ganze Maschine voll bekommen könnte. Denn ich hätte, was ich wirklich habe, es nicht gern, wenn man eine Maschine nur halbvoll zum waschen füllt.
Natürlich ist jetzt die Überraschung zu meinem Geburtstag keine mehr. Zwar konnte ich ihr glaubhaft versprechen, dass ich das bis Donnerstag bestimmt vergessen hätte... aber ...
Ich fühle mich schlecht.